Im Jahre 0 erstanden durch Taurus Hand, wüten die Minotauren in den kommenden Jahrhunderten in den südlichen Reichen. Sie nehmen Land um Land, und ihr Feldzug gegen die Menschen überrollt Gasdaria und nähert sich immer weiter dem Felsenmeer. Sie stellen neben den Echsen die größte Gefahr für die Königreiche der Menschen dar.
1.Kapitel - Vorzeichen
Borok richtete seinen breiten Rücken auf und schaute prüfend auf den sich zuziehenden Himmel. Er schnaubte, und seine Nüstern blähten auf im kalten Wind dieses kalten Wintertages.-Es war soweit.
Er packte behutsam seine Sichel in einen Fellbeutel und legte ihr die spärlichen Bestände an Frostwurtz bei, die er am Morgen gesammelt hatte. Schliesslich schnürte er das Bündel zusammen, warf es sich über seine Schultern und stapfte durch die dicke Schneeschicht, zurück in Richtung des massiven Felszuges, der sich wie ein riesiger Stierkopf über das unter ihm auslaufende Tal erhob. Borok war in Fell- und Lederfetzen gehüllt, deren abgenutze Insignien und Totemmuster nur noch Schwach an den einstigen Glanz seiner Rasse erinnerten. Doch heute, so wusste Borok, würde ein neues Zeitalter beginnen, er war es, den die alten Propheizeiungen als den Seher benannt hatte, den 5. im Blute der Fallboggs. Und er hatte es gesehen, in dem einen Moment, an diesem kalten Wintertag, hatte er gesehen und verstanden. Es war nichts Besonderes gewesen, das Rauschen des Windes, das Kreise der Vögel, das Wehen der Schneeflocken, doch er war sich sicher: heute war der Tag des Erwachens auf den das stolze Volk der Minotauren nun beinahe 1000 Jahre gewartet hatte.
2.Kapitel - Erwachen
Eine Dunkelheit hatte ihn umgeben, seine Seele war von ihm gegangen. Der 1000 jährige Schlaf neigte sich nun jedoch dem Ende zu, und er wusste es. Erneut würde er erwachen, um diesen schwachen Kreaturen ihren Sinn zu geben, Ihren Stolz wieder herzustellen.Sie zu neuem Ruhm zu führen. Aber es war noch nicht soweit, auch das wusste er. Auch fühlte er ihre Präsenz, zwar schwach, doch wohl genauso fühlte sie seine - noch.
Borok eilte die steinernen Treppen hinauf. Der Zustand der Minotauren hatte sich über die Jahrhunderte nicht zum Besseren gewandt. Doch keiner hatte es für nötig gehalten sie wieder in Stand zu setzen. Die sagenumwobene Kraft ihrer Vorväter hatten die Minotauren verloren, verkommen waren sie zu einem losen Stämmeverbund, der sich hauptsächlich von dem Sammeln von Kräutern und der Feldarbeit ernährte. Alt und abgenutzt waren ihre Waffen, zur Jagd beinahe schon kaum noch tauglich, denn das Schmieden war eine über die Jahre verlorene Kunst geworden.
Doch dies war nicht immer so gewesen. Vergessen von der Welt waren die Minotauren einst eine mächtige Rasse. Ihr markerschütternder Kriegsschrei war über die Kontinente gefegt, gefolgt von schier unbesiegbaren, zahllosen Legionen. Genommen hatten sie sich, was sie wollten und jeder, der sich dieser Maschinerie des Krieges in den Weg stellte, wurde unter dem Gedonner von Stierhufen vernichtend geschlagen.
Bis...ja, bis...
Borok schmerzte die Erinnerung an alte Zeiten, vor allem im Angesicht dessen, was aus seinem Volk geworden war. Doch er fühlte bereits die Veränderung, die das nahende Kommen einläutete. Zahllose Minotauren kamen aus ihren Höhlen hervor und strömten Borok vom Felde herauf hinterher. Alle merkten es, unaufhaltsam kam die Veränderung in ihnen herauf. Eine Art Brennen. Ein Feuer der Begeisterung, als würde das Herz in der Brust aus neuem, glühendem Eisen gegossen. Und Borok spürte es am meisten. Schnell durchquerte er die Halle der Versammlung, und eilte weitere Stufen hinauf zu dem Raum, den nur er betreten durfte. Mehrere Minotauren blieben hinter Borok am Treppenansatz stehen und verfolgten ihn neugierig mit ihren Blicken. Immer mehr Stiere drängten sich nun in die grosse Halle, vielleicht waren es das letzte Mal vor 1000 Jahren so viele gewesen.
Borok stiess die Flügeltüren auf und schob sie hinter sich wieder zu. Er atmete tief ein. Es war still, nicht so wie er es erwartet hatte...doch was hatte er erwartet? Er stand inmitten der Kammer des Schlafes, vor ihm die beiden Altäre. Der Linke war etwas grösser als der Rechte und barg den riesigen Leib eines gigantischen Minotauren. Gehüllt in edle Leder und Eisenrüstungsteile, eine gigantische Streitaxt zu seiner Linken. Neben ihm, auf dem kleineren Altar, lag eine Minotaurin. Auch sie war im Vergleich zu Borok groß und stabil gebaut, in Lederkleidung gehüllt, ihre linke Hand an einem schwarzen Basaltstab, ihre Rechte um ein Lederbeutelchen gelegt.
Borok stand schweigend vor den beiden Leibern stehen, unsicher was er tun sollte. Zwar war ihm die Rolle des Sehers zugeiteilt worden durch Erzählungen, doch was er zu tun hatte, wenn es soweit war, das hatte sich ihm auch über die Jahre nie erschlossen. Dann hörte er etwas, ein Atmen, ein leises Schnauben - es war soweit!
3. Kapitel - Ein neues Zeitalter dämmert
Borok war alt geworden. Die letzten 100 Jahre seit der Auferstehung waren ereignisreich gewesen und hatten den Stolz in die einst gebrochenen Herzen der Stiermenschen zurückgeschwemmt. Schwarze Rauschsäulen stiegen aus den zahllosen Schornsteinen der Schmieden hervor, ein lärmendes Getummel scharte sich um den geschäftigen Marktplatz und täglich fanden sich mehr Minotauren in der neu errichtete Hauptstadt Minoton zu Füssen des mächtigen Gebirges ein. Mit Ihrem Stolz war auch wieder das Feuer der Stiere erwacht und dieser spiegelte sich unablässig in dem grünen, loderndem Glanz Ihrer Augen wieder.
Am Rande des Marktplatz patroullierten die Garden des Stiers, prachtvoll anzusehende, hochgewachsene Minotauren in Legionärsrüstungen gehüllt und mit vorzüglich gearbeiteten Äxten bewaffnet. Nicht das es nötig gewesen wäre - Brudermord und Diebstahl unter den Minotauren hatte es nun schon seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben.
Täglich wuchs auch die Zahl der Legion. Jeder wehrhafte, junge Minotaur schloss sich den Stierbrigaden an und nebst Äxten und Rüstungen, stellten die Waffenschmieden der Stadt beinahe wöchentlich neue Kriegsmaschinerie zur Verfügung. Auch die Landwirtschaft hatte sich erholt und in einem rasendem Tempo hatten die Schamaninnen und Frauen der Stadt neues Weide- und Ackerland erschlossen, so dass schon bald die ersten üppigen Ernten eingeholt werden konnten. Es gab ein reichhaltiges Sortiment and Frucht, Obst, Fleisch und Kräuter, sowie ein beträchtliches Vorkommen an Erzen, welche man erst vor kurzem begonnen hatte flächendeckend zu gewinnen.
Alles war besser geworden seitdem der grosse Taurus und Caltae auferstanden waren und die Zukunft ihres Volkes verkündet hatten. Die Kultur der Minotauren hatte sich erholt, ihre Stadt wuchs und das Volk der Stiere hatte Teil am Fortschreiten seines Wohlstands.
Borok schaute glücklich auf das Treiben der Menge hinab,und es war so, als würde sein Herz einen Sprung tun. Doch mit der Freude kam auch der Schatten, wie der Hauch einer unangenehmen Kindheits-Erinnerung über ihn. Ja, auch Borok erinnerte sich an den Schwur den einst seine Ahnen geleistet hatten, der Schwur der wie eine Kette auf ihm und all seinen Brüdern und Schwestern hing, der Schwur der ihr Schicksal einst für immer besiegelt hatte.
4. Kapitel - Eine Frage der Zeit
Schwer war es für ihn, seine trägen Sinne auf die vor ihm liegende Strasse zu richten, und den riesigen Ochsenkarren zu lenken. Seine getreuen Tiere taten was sie konnten, doch immer wieder schreckte er auf, als sie beinahe vom Weg abkamen oder ein besonders schweres Schlagloch erwischten. Die zwei Portionen Schlafwurtz, die er sich zum Mittag seinem Hirsebrei beigemischt hatte, taten ihre Wirkung, sie bändigten das Feuer, senkten seine Anspannung. Dabei wäre es so einfach gewesen, sich dem hinzugeben, was für ihn bestimmt war, doch er wollte es nicht.
Wieder war es da, erst ganz leise und dann etwas lauter: das Klappern der schweren Hufe. Er wusste es war nur eine Frage der Zeit gewesen bis sie ihn finden würden, denn sie fanden jeden, und auch er würde schliesslich eins mit ihnen werden. Ängstlich blickte er sich über die Schulter- jetzt konnte er sie durch das Dickicht des Waldes sehen. Die vier glanzvollen, hochpolierten Rüstüngen, die edlen goldenen Helme auf ihren Schädeln, dahinter das gespenstische grüne Leuchten. Sie ritten auf mächtigen Minotauren-Schlachtpferden, beinahe das doppelte an Grösse eines normalen Gauls und mit metallenen Rüstungsteilen behangen. Sie würden ihn kriegen, daran bestand kein Zweifel. In Erwartung dessen, was auf ihn zukamm schloss er seine sanft grünglimmenden Augen, und ergab sich dem ihm bestimmten Schicksal.
5. Kapitel - Alte Versprechen
Taurus reckte seinen mächtigen Nacken über die prächtigen Zinnen von Minotons Palast. Seine Arme, mächtig wie Baumstämme, legten sich auf den kalten, glatten Stein. Es war soweit, endlich hatte der Schlaf ein Ende gehabt und der Beginn eines neuen Zeitalters, seines Zeitalters dämmerte. "Es ist nicht dein Verdienst Stier, der dich zu dem macht was du bist...", säuselte die verhasste Stimme, wie ein unangenehmer, beissend kalter Windhauch in das Ohr des mächtigen Minotaurenherrschers.
Seine ledernen Ohrausläufer zuckten auf, als wollten sie eine lästige Fliege davonjagen, doch diese Fliege würde sich nicht vertreiben lassen. Sie hatte sich in ihm festgebissen, das Innerste seines Selbst umrankt und hatte sich tief in ihm verkrochen, wie ein ewig schmerzender, mit Widerhaken übersäter Dolch, dessen Entfernung nur den eigenen Tod bedeuten konnte. Taurus schauderte und schritt zurück von den Zinnen, zurück in seinen prunkvoll eingerichteten Schlafraum. Die alten Stierfresken und Statuetten waren restauriert, der prächtig gewebte Teppich ausgebessert und zu altem Glanz wieder hergestellt worden.
Am einen Ende des Raums war sein aus Steinpfählen und dick verwebten Hanfbespannungen errichtetes Bett, die Pfähle krönten auslaufende, goldene Stierhörner. Die andere Seite des Raumes barg einen mächtigen Steintisch, über den, auf einem stabilem Eichenstuhl sitzend, Caltae die verschiedensten Ingridienzen und Kräuter verteilt hatte, und sorgfältig die Qualität der Mittel prüfte. "Hervorragend, schneller als ich erwartet hatte!" schaute sie zu Taurus auf und grinste ihn an. Doch auch sie traf der Schmerz des Kompromisses, die leise Stimme, das verlorene Gewissen. Dies war nicht ihr Werk noch das Werk ihrer fleissigen Arbeiterinnen, es waren nicht die Früchte ihrer Arbeit. Was hatte sie damals dazu bewogen sie einst anzunehmen, diese "Gaben"? - Sie wusste es nicht mehr, zu lange war es her, zu sehr hatte sie versucht das ewig Bindende zu vergessen, ihm keine Bedeutung zukommen zu lassen. Doch sie wusste, das sie sich selbst belog, sie wusste was sie damals dazu veranlasst hatte: es war Liebe gewesen, Liebe zu einer Person die es heute so nicht mehr gab. Denn war eine Person noch die die sie war, wenn sie dies selbst leugnete? Sich selbst verabscheute und tiefe Selbstzweifel in sich trug? Caltae wusste es nicht, doch wie hätte sie sich damals entscheiden sollen, in dem damals das nun beinahe 3000 Jahre zurück lag und vom Rest der Welt längst vergessen worden war.
6. Kapitel - Dunkle Nächte
Majok lief. Der kalte Waldboden schien unter seinen Schritten hinwegzufliehen. Seine Eltern waren weg, sein Bruder tot. Immer tiefer floh der junge Barbar in den Wald hinein, doch das Krachen, ja das stampfende Geräusch von zerchmetternden Ästen, niederbrechendem Gebüsch und aufgestobenem Laub kam erbarmungslos näher.
Majok sah es vor seinem geistigen Auge, wie sie erst seinen Bruder niedergehackt wurde und dann seine Eltern sich in den endlosen Zug eingereiht hatten. Diese endlosen, in Ketten gehangene, von brutalen Treibern vorangepeitschten Reihen von Brüdern seines Volkes. Auch andere hatte der Junge erkannt, doch ihre Namen wollten dem zu Tode geängstigtem Jungen nicht mehr einfallen. Wie ein überraschender Donner den Reisenden trifft, ein Schiff vom Sturm erwischt wird, so war es seinem Volk mit den Stieren ergangen. Erst war man frohen Mutes gewesen, die riesigen Heerscharen der Anuuk waren unter Mohuuto, Anführer der Anuuk zusammengetrieben worden, denn dieser hatte Blutrache für den Mord an seinen Brüdern geschworen.
Sechs Tage hatte es gedauert bis die ersten Flüchtlinge zurückkehrten, übersät mit zumeist schrecklichen Wunden, und diese ersten sollten auch beinahe die letzten sein. Grausame Gerüchte von einer totalen Abschlachtung, ein wahres Blutfest, das stattgefunden haben soll, kursierten. Die Stiere seien eingefallen und hätten nichts in ihrem Weg stehen lassen. Immer mehr Überlebende entschieden sich für die Flucht nach Norden, so auch Majoks Eltern, doch die Stiere sollten ihnen folgen und im Glanz ihrer grünen Augen, reihten sie einen nach dem anderen in ihren schier endlosen Sklavenzug ein. Und nun sollte auch Majok in den Reihen dieser gebrochenen Gestalten sein Ende finden. Doch der Sturm des Hufen, er hatte gerade erst begonnen.
7. Kapitel - Das Tauruslied
(aus dem Lied der Weisen,6.-10. Strophe, Mitte des vierten Zeitalters)
-
Einst es sich wahrhaft begab,
das Taurus zu den Sterblich trat,
und fortan begann um sich zu scharen,
die von seinem Antlitz waren. -
Mächtig wurd die 1000 Huf,
erzittern liess ihr Schlachtenruf,
Blut und Stahl kam auf das Land,
der schwache Mensch ward fast verbannt. -
Doch Rogal selbst, erzürnte sehr,
sein Hammer selbst, er schleuderte,
den Taurus traf und Taurus fiel,
"auf das er ewig schläft", Rogal befiehl. -
Doch Taurus fiel und im Hass er schwor,
auf 1000 jährig Wiederkehr,
Iiinyca hörte seinen Ruf,
und 1000 jahre ruht der Huf. -
Auf das der Stier dann neu erwacht,
erzittern wir vor seiner Macht,
denn all der Ruhm, die Kraft der Stiere,
dienen nun, dem schwarzen Pakt.